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Auch wir haben uns zwischen den Jahren mal eine Auszeit gegönnt und die „Mein Erstes Mal“-Reihe ruhen lassen. Soll jedoch nicht heißen, dass Ihr 2015 keine romantischen Geschichten zur Zusammenkunft zwischen Person X und dem AFC zu lesen bekommt. Den Beginn macht der aktuell in Berlin wohnhafte Stefan, ein weiterer Dynamo-Anhänger, der zum AFC geleitet wurde und nie wieder von dort weichen sollte. Trefft Stefan:


Geschrieben von Stefan Holzapfel


Die Gelegenheit war günstig. Mehr als günstig.

1989/90 machte mein Vater mich mit 8 Jahren zum Fußball-Fan, als er mich mit zu den letzten Europapokalspielen von Dynamo Dresden (gegen Aberdeen, Waregem, AS Rom, Viktoria Bukarest, VfB Stuttgart und Malmö FF) mitnahm. Was folgte ist in Fußballkreisen hinreichend bekannt. Der unrühmliche Abgang aus Europa gegen Roter Stern Belgrad 1991, der Abgang fast aller Spieler zu Bundesligisten, Misswirtschaft innerhalb des Vereins, Repressionen des DFB (4-Punkte-Abzug) und 1995 der endgültige Abgang in die Bedeutungslosigkeit (Zwangsabstieg in die Regionalliga).

Mit 15 stehst Du da und fragst Dich: Was nun? Die Themen „Bundesliga“ und „Deutscher Fußball“ waren verständlicherweise für mich beendet (ist eigentlich bis heute so abgesehen von Dynamo Dresden).

Dann kam der 10. Mai 1995. Gerade erst war ich von meinem ersten Auslandsaufenthalt zurück. Eine zweiwöchige Sprachreise nach Südengland mit Abstecher nach London. In vieler Hinsicht prägend. Und nun das Finale im EC der Pokalsieger. Real Zaragoza gegen Arsenal FC. Schon im Jahr zuvor hatte Arsenal den Pokal durch ein glückliches 1:0 gegen den AC Parma gewonnen. Aber nicht dieser Moment war es, der mich zu Arsenal brachte. Sondern diese 120. Minute im Spiel gegen Zaragoza, als Nayim praktisch mit dem Schlusspfiff den Ball aus ca. 35 Metern in halbrechter Position über David Seaman hinweg zum 2:1 für die Spanier in die Maschen beförderte.

Mein erstes Mal Stefan

https://www.youtube.com/watch?v=fiYt3iNWau0      

Ich saß vor dem Fernseher und bemerkte ein beklemmendes Gefühl bezüglich dieses Tores. Was war da los? Es spielten doch Engländer gegen Spanier, also kein Problem!? Ich merkte schnell, dass mir die körperlich robuste Spielweise, die Typen auf dem Platz (besonders Tony Adams und Ian Wright) und die fanatischen englischen Fans gefielen. Ich beschloss, Arsenal weiter zu verfolgen. Möglich war das in dem Alter leider nur per TV und so sollte es noch 5 Jahre dauern bis zum ersten Match im Stadion.

Ich ging nun in der Nähe von Hannover in die Lehre. Keiner von meinen Freunden konnte mein Faible für Arsenal und den englischen Fußball nachvollziehen und dies gab oft Anlass zum Spott (besonders bezüglich des Nationalteams, meist liebevoll „die Inselaffen“ genannt). Arsenal stand in der Saison 1999/00 im Viertelfinale des UEFA-Cups (nachdem man in der CL an Barcelona und Florenz gescheitert war und anschließend Nantes und La Coruna ausgeschaltet hatte)  und die Auslosung ergab als Gegner Werder Bremen. Und nun wurde ich nervös. Zum ersten Mal bestand die räumliche und finanzielle Chance, ein Spiel von Arsenal live zu sehen. Nur, wie an Karten kommen? In einer Zeit, wo Mobiltelefone und Internet für mich noch mehr oder weniger Fremdwörter waren und die Karten mitten in der Woche in Bremen verkauft wurden. Einfaches Problem, einfache Lösung: Ich nahm einen Tag Urlaub und versuchte mit dem Telefon über die Hotline an Karten im Werder-Block zu kommen (wie sagte der junge Paul Ashworth so richtig in Fever Pitch: „Ich habe erst falsch gestanden, bei irgendwelchen Provinzlern…“). Ca. 1 Stunde später nach gefühlt 100-facher Wahlwiederholung und der ständigen Angst, keine Karte zu bekommen, komme ich endlich durch und bekomme 9!!! Tickets (acht für die Kollegen, die das deutsche Team unterstützen).

Mein erstes Mal Stefan 2

Am 23. März 2000 war es dann soweit. Zu neunt mit zwei Autos von Hannover nach Bremen. Ich bestens gelaunt, da Arsenal das Hinspiel in Highbury schon 2:0 (Henry, Ljungberg) gewonnen hatte, aber auch in der Angst, dass Bremen schon damals einige wichtige Spiele im Rückspiel drehen konnte und mit Ailton, Pizarro, Herzog, Bode und Eilts Top-Spieler in seinen Reihen hatte. Die Aufstellung von Arsenal sah auch nicht gerade nach Bestbesetzung aus (Manninger, Dixon, Luzhny, Adams, Sylvinho, Parlour, Grimandi, Vieira, Ljungberg, Kanu, Henry). Doch es sollte anders kommen und ein Arsenal-Spieler machte das Spiel seines Lebens. Nein, nicht Thierry Henry. Der sah nach einem rüden Foul in der 64. Minute beim Stand von 2:3 für Arsenal die rote Karte. Auch nicht Dennis Bergkamp, der neben Flugangst anscheinend auch Angst vor Fähren hatte.

Der Spieler mit dem Spiel seines Lebens war „Romford Pelé“ Ray Parlour, der drei Buden machte und die vierte von Henry vorbereitete. Beim Anblick des ersten Tores würden selbst ein Ronaldo oder ein Messi erblassen. Eiskalt aus halbrechter Position mit dem Außenrist gegen den linken Innenpfosten genagelt und rein. Der linke Innenpfosten fand Gefallen daran und ermöglichte auch noch das 0:2. Nach der Vorlage für Henry zum 1:3 folgte das 2:4 in der Manier eines Konterstürmers, als er allein auf Frank Rost zulief und den Ball rechts unten versenkte. In seiner gesamten Arsenal-Karriere (339 Spiele) machte er 22 Tore, davon 3 allein in diesem Spiel.

Mein erstes Mal Stefan 3

https://www.youtube.com/watch?v=1dSQgAc5U1U

Arsenal konnte einen klaren 4:2-Sieg einfahren und der englische Mob im Gästeblock tobte. Letztlich war es von beiden Seiten ein Wahnsinnsspiel, welches auch 5:7 hätte ausgehen können (z.B. Hammer-Freistoß von Sylvinho an den Pfosten). Und ich war von dem Spiel und dem ganzen rundherum so geflasht, dass jeder Zweifel, insofern er je bestanden hat, weggewischt war. Nach dem Spiel ging es bestens gelaunt (zumindest ich) zurück nach Hannover, wo ich halb 3 morgens zufrieden ins Bett fiel. Den nachfolgenden Berufsschultag konnte man logischerweise getrost in der Pfeife rauchen.

Leider sollte es aus verschiedenen Gründen weitere 12 Jahre bis zum nächsten Stadionbesuch dauern, mein erstes Spiel auf englischem Boden im Emirates (1:2 gegen Manchester United im Januar 2012), aber seitdem geht es regelmäßig 1-2 mal im Jahr auf die Insel.

Letztendlich kann man sagen, dass ich 1995 in einer Zeit fußballerischer Orientierungslosigkeit auch mit etwas Glück zu Arsenal gefunden habe. Es hätte wahrscheinlich genauso gut Liverpool, Man United, Chelsea oder der Nachbar im Norden Londons sein können. Letztendlich waren es ein Besuch in London, zwei Europacup-Finals und so coole Typen wie Seaman, Adams, Parlour und Wright, die mich zu Arsenal brachten. Und ein Verein, der sich selbst in Zeiten extremer Kommerzialisierung größtenteils treu geblieben ist (nicht zuletzt durch den Einfluss von Arsene Wenger), der mich seit nun fast 20 Jahren bleiben lässt.

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