Schlagwortarchiv für: Arsene Wenger

Dieser Beitrag wurde vor dem Spiel gegen Soton geschrieben, weshalb man sich nicht vom ersten Absatz verwirren lassen sollte.


Geschrieben von Stefan Holzapfel


19 Spieltage in der EPL liegen hinter uns, 19 weitere noch vor uns. Wir sind Fünfter mit 33 Punkten, punktgleich mit dem Vierten Southampton, dafür schon 13 Punkte hinter der Spitze. Da ist es wieder, das 4.-Platz-Syndrom. Und das, wo man sich vor der Saison so viel vorgenommen hatte. Und nun?

Mich überrascht der Verlauf der bisherigen Saison nicht wirklich. Beginnend mit einer Saisonvorbereitung, die keine war. Einer Reihe von Spielern, die die WM mehr oder weniger in vollen Zügen mitgenommen haben. Dazu eine Reihe von Neuzugängen, die erst spät in das System integriert werden konnten. Und zu guter Letzt natürlich die uns treu bleibende Verletztenmisere.

Die WM sollte nicht als Entschuldigung genommen werden, da sie viele der Top-Klubs gleichermaßen betrifft und auch nicht jeder unserer Spieler bis ans Limit gefordert wurde (so waren weder Mertesacker, Podolski oder Cazorla Stammspieler und auch die Engländer haben sich ja nicht wirklich ein Bein ausgerissen). Trotzdem fehlen die entscheidenden Prozente aus der Vorbereitung, um in letzter Konsequenz Spiele wie gegen die Stokes dieser Welt, die keine/kaum Nationalspieler haben, zu ziehen. So war der Saisonstart mehr als holprig mit der Qual gegen Besiktas, dem Ausscheiden aus dem League Cup gegen Southampton, dem extrem schwachen Auftritt in Dortmund und einer Reihe von Unentschieden (Everton, Leicester, Citeh, Spuds und Hull).

Dabei waren die Leistungen nicht immer schlecht. Aber leider hat man sich zu selten selbst belohnt. Da war der Heim-Auftakt gegen das Top-Team Crystal Palace, das man trotz 76% Ballbesitz erst durch das Tor von Ramsey in letzter Minute bezwang. Dann unter anderem das Heimspiel gegen Manchester United, gegen die wir einfach nicht gewinnen können, egal wie „dünne“ die auch sind. 61% Ballbesitz, 9:2 Torschüsse und trotzdem verliert man 1:2 u.a. durch ein „Traumtor“ von Gibbs, welches uns zusätzlich den Torhüter kostet. Selbst die dreckigen Spiele wie gegen Pool werden in Überzahl in allerletzter Minute, wenn auch verdient, gegen die Wand gesetzt.

Alles in allem: Uns fehlt die Konstanz, sowohl als Team als auch die vieler Spieler (eigentlich alle außer Sanchez). Aber der Dezember lässt auf Besserung hoffen (abgesehen von der Niederlage gegen die Orcs), zumal nach und nach einige wichtige Spieler zurückkehren. Wo wir beim nächsten Punkt wären. Die Verletztenmisere.

Es ist schon immer wieder bewundernswert wie uns das Schicksal regelmäßig in den Allerwertesten tritt. Hier mal eine Aufstellung der gespielten Partien unserer Leistungsträger (von 19 EPL-Partien):

Debuchy (9), Koscielny (10), Gibbs (13+3),  Arteta (6+1), Wilshere (7+1), Ramsey (11+3), Özil (6), Giroud (5+4), Walcott (0+2), Diaby (0) 😉

Wir sind also weit entfernt von einer Stammformation, die mal regelmäßig auf dem Platz steht und gewisse Mechanismen entwickeln kann. Bleibt nur die Hoffnung dass unser neuer Fitnesscoach Shad Forsythe auf Dauer einen positiven Einfluss haben wird. Zum Teil ist das Problem aber auch hausgemacht. Einerseits ist der Kader qualitativ nicht breit genug, um wirklich ernsthaft um den EPL-Titel zu spielen. Monreal, Rosicky, Podolski, Campbell oder Flamini sind solide Spieler und mögen in gewissen Bereichen auch ihre Qualitäten haben, aber sie gewinnen für Arsenal keine Titel. Zum anderen müssen deshalb ständig dieselben Spieler auflaufen, ob der Akku leer ist oder gerade eine Verletzung überwunden wurde. Dies fördert neue Verletzungen. Und da sind wir letztendlich beim Manager.

Kaum einer steht zurzeit dermaßen unter Feuer wie Arsene Wenger, speziell bei den Fans. Und was sich da zum Teil abspielt, finde ich widerlich. Zuerst sollte man einmal überlegen, was dieser Mann in den letzten fast 19 Jahren mit Arsenal erreicht hat. Richtig, dieser Bonus kann nicht ewig gelten und sicherlich hat er in jüngerer Vergangenheit speziell in der Transferpolitik und der taktischen Ausrichtung Fehler begangen. Wenn man Titel gewinnen will, muss jeder Mannschaftsteil ausgeglichen besetzt sein. Dementsprechend hätte er im Sommer noch zwei Innenverteidiger, einen Sechser und einen Stürmer holen müssen. Auch die Umstellung eines Spielers auf eine für ihn nicht ideale Position mag in der Vergangenheit schon funktioniert haben, klappt aber nicht immer (z.B. Özil). Trotz alledem muss man festhalten, dass die Transfers, die er seit 2 Jahren tätigt Hand und Fuß haben. Özil (spielt nur auf der falschen Position), Debuchy (Upgrade für Sagna), Sanchez (eine Urgewalt), Chambers (ein Mega-Talent) und Welbeck (müsste nur noch den „Chancentod“ ablegen) sind durchaus sehr gute Transfers. Aber auch diese garantieren keine Titel, denn die Konkurrenz ist groß. Und an dem Punkt muss man wissen, was man bei und für Arsenal will.

Will man mit den Geldsäcken aus dem Westen Londons und aus Manchester (beide) mithalten und damit seine eigenen Ideale über Bord werfen? Das Financial Fairplay mit Füßen treten (siehe United … achja, die spielen ja nicht europäisch, da ist das ja egal),  und Ablösesummen und Gehälter bezahlen, die gar nicht selbst erwirtschaftet werden können? Oder will man jedes Jahr guten Fußball in der EPL und in der CL spielen und dabei noch ein positives finanzielles Ergebnis ausweisen? Klar wäre ein EPL-Titel oder ein CL-Titel klasse, aber dafür seine Identität verkaufen? Niemals. Dann lieber noch 10 Jahre Vierter und Aus im Achtelfinale der CL.

Und damit sind wir wieder bei den Aussichten für die zweite Saisonhälfte. Und die sind so schlecht nicht. Eine Reihe zurückkehrender Spieler, in der EPL ein Spiel gegen Southampton wo wir uns zumindest erst mal den vierten Platz zurückholen werden, FA-Cup gegen Hull (wissen wir schon wie es geht bzw. nicht geht) und ein CL-Achtelfinale gegen Monaco, welches trotz deren Defensivstärke alle Chancen auf ein Viertelfinale bietet. Und einen Titel gegen die Geldsäcke aus Manchester haben wir ja dieses Jahr auch schon geholt, auch wenn der ja nicht zählt. Warum eigentlich nicht? 😉

In diesem Sinne: Come on Arsenal!!!

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Das Jahr 2015 ist noch gar nicht so alt, aber bisher echt für den Arsch für uns. Erst verliert Arsenal mal wieder gegen sich selbst am Neujahrstag und jetzt ist auch noch der sich allerdings abzeichnende Wechsel von Lukas Podolski doch recht frühzeitig perfekt. Er geht jetzt leihweise zu Inter, wo er eigentlich einschlagen müsste wie eine Bombe, denn die sind momentan mal so richtig durch den Wind (11. in der Liga) und werden wahrscheinlich das Spiel auf ihn zuschneiden, was ihm sicherlich entgegenkommt. Wie auch der italienische Fußball generell. Alles Gute dafür (auch wenn Inter ein höchst unsympathischer Club ist)!

Selbstverständlich ist es auch für Arsenal Germany schade, daß es letztlich nicht mehr geklappt hat mit Lukas bei unserem Club. Es sollte jetzt müssig sein, über hätte, wenn und aber zu spekulieren, aber die alleinige Schuld bei Arsene Wenger zu suchen, ist mit Sicherheit auch verkehrt. Es gibt immer zwei Seiten …

Als Arsenal Germany durften wie Lukas selbst kennenlernen bei unserem Jubiläumstrip nach London Ende 2012 und er hat sofort wirklich alle für sich eingenommen. Arsenal hatte extra für uns ein ´meet and great´ nach dem Spiel mit unseren deutschen Spielern arrangiert und anders als Per Mertesacker, der wie auf Autopilot kurz ein paar Bilder über sich ergehen ließ und mehr oder weniger nicht ansprechbar war, hat Lukas wirklich jeden ´Scheiß´ (z.B. hat einer jetzt sein Autogramm als Tattoo auf dem Oberarm) mitgemacht und sich Zeit genommen. Er hat sich entspannt Uwe´s Charity-Geschichte angehört (bzw. so getan, als ob ..) und ist auf jeden eingegangen, der zu ihm gekommen ist, auch wenn die Arsenal-Verantwortlichen im Hintergrund schon gedrängelt haben. Vielen Dank auf nochmal dafür!

Hier auch nochmals der Bericht zu unserem Jubiläumstrip 2012 (veröffentlicht im Der Tagesspiegel).

Für viele Profis ist so etwas ja lästige Basisarbeit, aber Lukas macht das auf charmante und, nun ja, nette Art und Weise. Das ist einerseits sehr professionell, aber eben doch eher ungewöhnlich und hat ihn auch Skeptikern bei uns sympathisch gemacht. Zudem hat man daran erkennen können, warum Poldi so ausserordentlich beliebt ist.

Jetzt isser also erstmal weg …

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Okay, wie das Leben ohne Poldi geht, hat Arsenal in den letzten Monaten ja schon ordentlich geprobt, so daß das in der Hinsicht sicherlich erstmal keinen Rückschlag bedeutet. Ein solcher wäre heute auch absolut fehl am Platz, denn es geht gegen Hull City in die Titelverteidigung des FA-Cups. Beim Versuch, sich als Team mal nicht ins Knie zu schiessen, wird möglicherweise Mesut Özil nach gefühlten Ewigkeiten wieder mit dabei sein. Schaden kann es nicht …

Hull ist nicht sonderlich gut drauf zur Zeit, aber das waren sie damals im Mai vorher auch nicht. Das Spiel war dann ja ´etwas´ anstrengend .. wenn aber Arsenal den fighting spirit der letzten Spiele (naja, So´ton bis zum ersten ´Eigentor´) zeigt, sollte das Weiterkommen drin sein.

COME ON ARSENAL!

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Nach einer Woche Urlaub in Nordfriesland (Ich hätte jetzt gerne einen Ostfriesenwitz gemacht, aber die Nordfriesen finden das wohl nicht so toll) und zwei verpassten Spielen (Verdammt seiest du, Weihnachtszeit!) bin ich jetzt wieder da und kann euch mit meiner Schreiberlingskunst erfreuen.

Was für ein Spiel das war! Jede Sekunde war spannend, es ist immer was passiert und die letzten 10 Minuten waren ein einzeiger Herzanfall. Sehr gutes Spiel von Sczcesny, Koscielny, Chamberlain und Coquelin. Den hatte wohl jeder abgeschrieben, denn mit 23 auf Leihe zu Charlton Athletic ist kein Zeichen für einen langen Verbleib beim Club. Aber da er wegen der vielen Verletzungen zurückgeholt wurde, konnte er gegen die Hammers eine saubere Defensivleistung (4 Tackles, 5 Interceptions, 7 Clearances) zeigen.

Und da sind wir auch schon bei Verletzungen. Es werden weniger, Gott sei Dank, aber es sind immer noch zu viele. Özil wird wahrscheinlich gegen Southampton an Neujahr noch nicht dabei sein, aber vielleicht am 4. Januar im FA-Cup Finale (Der Wiederholung des letztjährigen) gegen Hull. Ramsey könnte gegen Southampton spielen, es ist aber noch nicht sicher. Für Arteta stehen die Chancen gut. Walcott war gegen West Ham auf der Bank und hat sich warm gemacht, ist aber nicht eingewechselt worden. Wir werden bis Ende Januar oder Anfang Februar wahrscheinlich keine 90 Minuten von ihm sehen, um ihn nicht zu gefährden. Ein Rätsel ist Serge Gnabry, er hat zuletzt gegen Bayern im März gespielt. Er sollte eigentlich gleichzeitig mit Walcott zurückkehren, aber das hat offensichtlich nicht geklappt. Auf der Arsenal-Website ist der letzte Eintrag über seine Verletzung von vor dem Burnley-Spiel am 1. November. Aber er hat etwas auf Facebook gepostet, also ist er wohl nicht verschollen. Wahrscheinlich wohlen ihn die Physios nicht gefährden, denn er ist immer noch nur 19. Wilshere ist und bleibt bis Ende Februar/Anfang März zur Tribüne gezwungen.

Mein diesmaliger Vorschlag für einen guten defensiv orientierten Mittelfeldspieler hat mit 19 eine Man-of-the-Match Performance gegen Barcelona hingelegt. Größen wie Xavi bezeichnen ihn als eins der größten Talente Englands, im Nationalteam spielt er die Rolle, die er bei uns auch spielen sollte und er ist nur 22. Sein Name ist Jack Wilshere. Wir können alle darin übereinstimmen, dass Ramsey inzwischen offensiv besser ist als Wilshere und dass das wahrscheinlich auch so bleiben wird. Aber im Spiel gegen Barcelona, das ich eben erwähnt hatte, wurde er mehr als defensiver Mittelfeldspieler eingesetzt (Fabregas spielte damals die offensivere Rolle) und er überzeugte auf dieser Position. 95 % Passgenauigkeit insgesamt und 91 % Passgenauigkeit im letzten Drittel des Feldes. Bessere Werte hatten an dem Tag nur Xavi und Iniesta. Als er dieses Jahr für England spielte, wurde er als defensiver Mittelfeldspieler eingesetzt und hat sich 2 Man-of-the-Match-Trophäen gesichert. Warum setzen wir ihn also nicht auf dieser Position ein? Er hat alle Qualitäten, die man benötigt und ist „technisch begabt wie ein Spanier und hat das Herz eines Engländers“ (Arséne Wenger). Sein Porblem ist, dass er zu lange den Ball behält. Dadurch kommen auch die vielen Verletzungen zustande. Wenn er lernt sein Spiel zu vereinfachen (so wie Ramsey es tat) wird er Arsenals Mittelfeld noch für mehr als ein Jahrzehnt beherrschen. Und ein guter Pluspunkt ist: Er kostet kein Geld, weil er schon bei uns ist und er will auch nicht weg. Ihm werden Zitate wie „Ich brauche keinen Agenten, weil ich für immer bei Arsenal bleiben werde“ zugeschrieben. Jack Wilshere spielt bei uns seit er 9 Jahre alt ist, möge er spielen bis er 40 ist!

 

Up The Arsenal!

 

 

Ich würde mich sehr über konstruktives Feedback in den Kommentaren freuen.

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Diese Woche kommt unser Erzähler aus der Hansestadt Hamburg. Tom hat sich in seiner Jugend für den Verein mit der Raute begeistern können, jedoch nie ein wirklich emotionales Verhältnis aufgebaut. Die Lokalisierung der Spielstätte fernab des eigentlichen Hamburger Lebens trug seinen nötigen Teil dazu bei. Anders sollte es ihm bei seiner Studienzeit in London ergehen. Mitten im Herzen Islingtons angekommen, wurde ziemlich schnell klar, welcher Verein sein Herz erobern sollte und welcher seinen Spott erntete. Während an der in Fulham angesiedelten Bridge ein Ex-Sträfling einen vormals nicht-existenten Fussballclub mit blutigen Ölmilliarden errichtete, sollte Arsene Wenger das englische Fussballspiel neu erfinden. Und hieraus eine immerwährende Liebe entstehen. Aber lest selbst:


Geschrieben von Tom Dziomba


Als ich im Sommer 2002 ein Praktikum in London absolvierte, landete ich für drei Monate in einer Wohngemeinschaft in der Bickerton Road in Archway, N19. Als mein fußballverrückter Freund Sascha mich am letzten Septemberwochenende besuchen kam, war der Besuch eines Premier League Spiels natürlich Pflicht. Wir landeten an der hässlichen Stamford Bridge, in Fulham.

Chelsea Football Club, 19 Jahre nach Arsenal im Jahre 1905 gegründet, hatte in seiner fast 100jährigen Geschichte bis dahin eine Meisterschaft gewonnen. Das war vor fast 50 Jahren. Berühmt war der Verein hauptsächlich für die Chelsea Headhunters, eine rassistische Hooligan-Gruppierung, deren Vorgänger, die Chelsea Shed Boys, insbesondere in den 1980er Jahren Terror verbreiteten. Sehr sympathische Truppe also. Der ehemalige Eigentümer vom C.F.C., Ken Bates, hatte damals erfolglos vorgeschlagen, elektronische Zäune im Stadion zu errichten, um das Stürmen des Platzes zu verhindern.

8012975085_436c8241b2_z Inter City Firm West Ham

Erfolglos blieb eine weitere Unternehmung des ehemaligen Eigentümers Bates, der den Club 1982 für einen Pfund gekauft hatte. Er betätigte sich als Immobilien-Entwickler und bastelte einen unfassbar scheußlichen Komplex aus Hotels, Wohnungen, Bars, Restaurants und den Chelsea Megastore mit der interaktiven Chelsea World of Sport an das Stadion. Die Schulden aus diesem Fehlinvestment führten fast zur Pleite des Vereins, der sich sportlich aber halbwegs hielt.

An diesem Samstag Nachmittag kam West Ham United aus Ost-London zu Besuch. Deren Hooligans, die Inter City Firm, galten als die erste gut organisierte, gewalttätige Fangruppierung. Ein schönes Hass-Derby also. Auch wenn das Ganze 2002 ja nicht mehr so wild war. Aber die Luft knisterte.

Was dann aber auf dem Platz und in den Rängen folgte, war der Wahnsinn. Paolo di Canio, der später in seiner Zeit bei Lazio Rom bekennende Faschist mit einer Vorliebe Stadionkurven mit gestrecktem rechten Arm zu grüßen, hatte das Spiel seines Lebens. West Ham gewann mit 3:2. Di Canio steuerte hierzu einen unglaublichen Volleytreffer aus 30 Metern, sowie das entscheidende Tor kurz vor Schluss bei.

Die direkte, harte Art des Fußballspiels in England hatte mich genauso fasziniert, wie die extremen Emotionen der Fans. Der West Ham-Block, der nach Abpfiff zunächst verschlossen blieb um etwaige Zusammentreffen der radikalen Fangruppen zu verhindern, war bei den Toren ein lärmendes Tollhaus, während der Rest des Stadions totenstill war. Die Chelsea Fans ihrerseits eruptierten bei den beiden Treffern und es war amüsant zu sehen, wie sich die gegnerischen Fans in benachbarten Blöcken, nur durch ein paar hilflose Stewards getrennt, schmähten und provozierten.

Das ErIebnis in Fulham war ein starker Kontrast zu meiner Fußball-Sozialisierung Anfang der 1980er Jahre. In den Hamburger Suburbs erlebte ich, als selbst aktiver Mini-Bube bzw. F- und E-Jugendlicher, die besten Jahre des Hamburger Sport Verein. Horst Hrubesch und Manni Kalz waren meine Idole und diesen Schuss von Felix Magath, der den HSV im Mai 1983 zum Europapokalsieger der Landesmeister machte, werde ich nie vergessen. Aber die unregelmäßigen Stadionbesuche bis Ende der 1980er waren weder sportlich erquicklich, noch kam Stimmung im weiten Oval des Volksparkstadions auf. Und die Lage an Autobahn und Müllverbrennungsanlage war auch eine Zumutung, die Liebe zum HSV und auch mein Interesse am Bundesligafußball erkaltete über die Jahre.

Das Spiel jedoch, das ich an dem Septemberwochenende 2002 in London sah, begeisterte mich wieder für Fußball. Englischen Fußball. Insbesondere die starke lokale Verbindung, die ich aus Hamburg mit diesem Stadion im Niemandsland überhaupt nicht kannte, fand ich beeindruckend. Glücklicherweise hatte ich in meiner Wohngemeinschaft einen Mitbewohner, Anthony, der mir viel über die Premier League erzählen konnte. Er selbst war in Birmingham aufgewachsen und aufgrund seiner irischen Abstammung traditionell Aston Villa Fan.

Und so kamen wir auf Arsenal. Und Anthony erzählte, wie sich der Verein nach der Einstellung von Wenger gewandelt hat. Wie er vorher, insbesondere zu Zeiten von George Graham, vor allem für seine defensive Spielweise bekannt war. Und die langweilige Spielweise gegnerische Fans dazu gebracht hat, Boring, Boring Arsenal zu singen, während die eigenen Fans oft One-Nil to the Arsenal anstimmten, was die Spielweise, hinten zumachen und nach vorne nur das nötigste zu tun, zusammenfasste. Wengers Offensivtaktik gepaart mit disziplinierter Ernährung und für die Premier League neuen Trainingsansätzen transformierte so nicht nur den Verein sondern fand in Bezug auf die letzten beiden Aspekte schnell Nachahmer in der Liga. Anthony erzählte, wie es bis Mitte der 1990er Jahre gang und gebe war, dass die Spieler regelmäßig eher durch Geschichten über Saufgelage,  Drogen und Randalieren, als gute Leistungen auf dem Platz Schlagzeilen machten. Dabei fielen auch Namen wie Paul Merson, Ray Parlour und Tony Adams. Ich fand das eigentlich ganz sympathisch, vor allem, dass die Spieler nach dem Spiel im lokalen Pub beim Stadion abhingen und sich voll laufen ließen. Dass der dann folgende Wandel zu einer der besten, athletischsten Fußballigen der Welt im Grunde auf einen Mann, Arséne Wenger, zurückzuführen war, fand ich beeindruckend.

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Als wir uns an dem Abend Match of the Day in der BBC ansahen, konnte ich dann auch gleich sehen, zu was für einem Team Arsenal sich unter Arséne Wenger entwickelt hatte. Ein überragendes 4:1 in Leeds, was zudem bedeutete, dass die Gunners in 47 aufeinanderfolgenden Spielen mindestens ein Tor geschossen hatten und damit den 71 Jahre alten Rekord von Chesterfield eingestellt hatten. Die Mannschaft an dem Tag bestand aus Seaman, Lauren, Campbell, Cygan, Cole, Toure, Vieira, Silva, Wiltord, Henry und Kanu und das unheimlich flüssige Spiel, vor allem das schnelle Umschalten von Verteidigung auf Angriff, hat mich schwer beeindruckt. Es war wirklich schön anzusehen.

Mein Interesse an Arsenal war geweckt. Ich fragte Anthony, wo denn das Stadion von Arsenal sei und er meinte: ’Oh, it’s just down Holloway Road’, nur etwa drei Kilometer von unserer Wohnung entfernt. Ein paar Tage später machte ich mich auf und nahm den Bus zur Finsbury Park Station. An deren Ausgang zur Seven Sisters Road signalisierte bereits der große Arsenal Fanshop, wo man sich hier befand. Entlang der Finsbury-Park-Moschee, die zu der Zeit aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qaeda im Fokus der Medien stand, ging es die St Thomas’s Road hinunter.

Ich erinnere  mich an diesen faszinierenden Anblick, wie sich, nachdem man einer kleinen Kurve in der Straße folgte, der North Bank Stand aus dem Meer von kleinen Viktorianischen Reihenhäusern erhob. Mal abgesehen von dem hässlichen Sozialwohnungsblock kurz vor der Gillespie Road, in die ich dann nach links abbog, um zum East Stand zu gelangen. Diese Tribüne, in der sich auch die Büros, eine Cocktail Lounge, Umkleidekabinen und der Pressebereich befanden, war 1936 eröffnet worden. Nachdem das alte Stadion weitestgehend abgerissen und für Wohnungsbau um genutzt wurde, ist dieses denkmalgeschützte Gebäude mit der wunderschönen Art-Deko Architektur, das einzige jetzt noch erhaltene des alten Stadionkomplexes. Ich war auf jeden Fall beeindruckt, wie physisch eng verwoben der Verein hier mit der Nachbarschaft existierte. Und das seit über 90 Jahren. Der Spielbetrieb in Highbury wurde 1913 aufgenommen.

copyright 7amkickoff

Es sollte dann aber noch zwei Jahre dauern, bis ich mein erstes Mal ein Spiel an diesem magischen Ort sehen sollte. Es fiel mir schwer, ohne die direkte Nähe zum Verein eine Verbindung aufzubauen und folgte Arsenal zurück in Hamburg nur sporadisch über das Internet. Im folgenden Sommer, 2003, arbeitete ich im Juni und Juli wieder in London. Arsenal hatte gerade den FA Cup gewonnen, musste sich in der Meisterschaft jedoch gegen Manchester United geschlagen geben. Und während der Meister einen 18 jährigen Portugiesen namens Christiano Ronaldo verpflichtete, konnte Arsenal sich mit Jens Lehmann verstärken.

Was aber den Sommer wirklich Schlagzeilen machte, war die Übernahme von Chelsea durch Roman Abramovich. Der ehemalige Häftling, der durch nicht ganz saubere Machenschaften Milliardär geworden ist,  sorgte dafür, dass der Verein nicht nur schlagartig schuldenfrei war, sondern nun auch uneingeschränkte Mittel hatte, sich zu verstärken. Dies bedeutete nicht nur eine neue Ära im Englischen Fußball, es machte den Verein auch noch unsympathischer. Natürlich stand dieser neue Eigentümer im starken Kontrast zu den Inhabern von Arsenal, die von den Familien Hill-Wood und Bracewell Smith dominiert wurden. Diese besaßen die Mehrheit am Klub seit dem zweiten Weltkrieg, als die Anteile mehr als wohltätiges Engagement zur Unterhaltung der Arbeiterklasse Nord-Londons gesehen wurde und keine Dividende ausgezahlt wurde.

Ein Jahr später war es dann endlich soweit. Ich zog nach London, um mein Studium abzuschließen. Die Zimmersuche beschränkte sich natürlich auf einen engen Radius um das Highbury Stadion und ich landete schließlich in der Charteris Road, direkt ’hinter’ der Finsbury Park Station. Ich liebte es, wenn die gesamte Nachbarschaft an Spieltagen von Fans belebt war und diese aufregende Stimmung über dem Stadion und dem Viertel hing.  Und so war es auch an diesem dunklen Tag im Dezember 2004.

Arsenal waren als die Invincibles in die Saison gegangen und starteten fulminant mit 16 Toren in vier Spielen. Nach acht Siegen in neun Spielen mussten sie am 24. Oktober im Old Trafford gegen Manchester United antreten und an diesem Tag endete auf schmerzliche Weise der Lauf der in der Premier League ungeschlagenen Spiele nach unglaublichen 49. Und weil es in Fußball ja auch immer diese schönen Subplots gibt, traf Ruud van Nistelroy hier einen Elfmeter, bevor Rooney in der Nachspielzeit das definitive Ende des Unbeaten-Runs besiegelte. Der van Nistelroy, der in der Vorsaison einen Elfmeter gegen Arsenal verschossen hatte und beim Endergebnis von 0:0 mit einem verwandelten Elfmeter die einmalige Saison, in der Arsenal kein einziges Mal besiegt wurde, hätte zunichte machen können. Er traf aber nicht. Was zu einer meiner Lieblings Nicht-Fussballszenen bei bzw. nach einem Fussballspiel führte, als Gilberto, Parlour, Cole, Keown, Lauren und Toure den Holländer fast verprügeln, was die Intensität dieser Spiele ganz gut reflektiert.

Am 12. Dezember 2004 kam Chelsea nach Highbury und ich wollte dieses Spiel unbedingt live sehen. Wie immer waren die engen Straßen, von Verkaufsständen mit Schals, Mützen, Trikots und Fan-Gesang–CDs gesäumt, zum Stadion überfüllt. Das Spiel war natürlich lange ausverkauft und ich hatte mein absolut maximales Budget für eine Karte auf dem Schwarzmarkt bei  £100 festgelegt. Nachdem ich kurz vor Anpfiff panisch wurde, trennte ich mich für eine Sitzplatzkarte auf der North-Bank, mittlere Höhe, leicht links, von £120. Und um das Klischee zu bedienen: Dieser doch nicht unerhebliche Teil meines monatlichen Studentenbudgets war jeden Penny wert.

Henry Terry

Ich war noch auf der Suche nach meinem Platz, als Henry, wie ich später im Fernsehen sehen konnte, Arsenal in der 2. Minute mit einem wunderschönen Schuss in Führung gebracht hatte. Nach 17 Minuten folgte jedoch der Ausgleich von dem Mann, den ich bis heute liebe zu hassen. Aber hassen ist das falsche Wort. Eher so eine Mischung aus extremer Genervtheit, gepaart mit Mitleid und Belustigung, wenn man sich vorstellt, was John Terry nach seiner Fußballkarriere wohl machen wird, außer fett und pleite werden, weil er sein Vermögen verspielt. Henry brachte Arsenal nach 29 Minuten wieder in Führung, bis Gudjohnsen kurz nach der Halbzeit den Ausgleich für Chelsea erzielte.

Trotz noch zwei guten Chancen für Henry und van Persie zum Schluss konnte man insgesamt wohl mit dem Ergebnis zufrieden sein. Hatte man doch über 10% der Treffer erzielt, die Chelsea mit insgesamt 15 über die ganze Saison einfangen sollte. Die Mannschaft in der damals auch ein gewisser Arjen Robben spielte, sollte die Liga gewinnen, nachdem im Sommer für über £91.000.000,-  neue Spieler wie Ferreira, Čech, Robben, Drogba und Carvalho geholt wurden. Während Chelski rund £2 Mio. für Spieler eingenommen hatte.

Meine Annäherung an den Englischen Fußball, an den Verein Arsenal und mein erstes Mal mit Arsenal war zu einer Zeit, in der der Verein seinen zunächst letzten Höhepunkt hatte. In den folgenden Jahren dominierte Chelsea einzig und alleine, weil sie die Lotterie gewonnen hatten. Und der Gewinn eigentlich dem russischen Volk gehörte. Das ist allerdings egal, da ich in dieser Zeit einen Verein lieben lernte, der tief in Tradition und Werten verwurzelt war und es zumindest auch noch heute ist, trotz eines amerikanischen Eigentümers, dessen Herz wohl leider nicht ganz bei der Sache ist. Sicher waren die finanziell klammen Zeiten der aufgrund des Stadionneubaus und den daraus resultierenden limitierten Möglichkeiten, den Kader stärker zu verbessern, schwer und die langen Jahre ohne eine Trophäe schmerzhaft. Aber es gab immer wieder diese Momente, die einen so froh gemacht und mitgenommen haben, wie das Weiterkommen gegen Real Madrid im Frühjahr 2006. Oder das 2:1 gegen Barcelona im Februar 2011. Große, wie auch kleine Momente, bei denen man mitfiebert und wahnsinnig wird, da die Verteidigung wieder zu dünn ist oder unsere Stürmer versagen. Am Ende aber doch noch ein knapper Sieg oder ein Punkt rausspringt und man dabei stolz sein kann, dass das alles einem Klub zu verdanken ist, der stets seine Werte und Prinzipien verfolgt hat und dies hoffentlich auch immer tun wird.

Fa Cup Hamburg

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